Partnerschaft

Was wäre wenn…

Eigentlich führen mein Mann und ich eine ganz normale Ehe.

Schon immer haben wir unsere Beziehung als von Gott geschenkte Einheit verstanden. Wir lieben und tragen einander. Tiefpunkte, wie meine schwere Erkrankung und die anschließende Arbeitslosigkeit oder unser unerfüllt gebliebener Kinderwunsch, haben uns nur noch enger zueinander geführt. In meinen Krisenzeiten war mir mein Mann ein starker und zuverlässiger Partner. Unsere Liebe ist dabei gewachsen und hat noch mehr Tiefe bekommen. Das Schlimmste, das mir begegnen könnte, wäre eine Trennung von meinem Mann.

Und doch gibt es da dieses „eigentlich.“ Mein Mann empfindet sich weiblich. Schon seit seiner Kindheit. Als wir uns kennen und lieben gelernt haben, hat sich mein Mann mir anvertraut. Doch was mein Mann fühlte, passte in unser christlich geprägtes Bild nicht hinein. So folgten Jahre, in denen wir versucht haben, „es“ loszuwerden, über die Inanspruchnahme von Seelsorge bis hin zu einem sogenannten Lossage-Gebet. Doch unser Kampf und all unsere Fragen mündeten schließlich in die Erkenntnis: Mein Mann empfindet sich als Frau und würde gerne seinem Naturell entsprechend leben.

In seinem beruflichen Umfeld und unserer Gemeinde war das bisher für uns nicht vorstellbar, und so haben wir uns an ein Versteckspiel gewöhnt. Nur in der Freizeit oder im Urlaub lebt mein Mann seine feminine Seite als selbstsicher auftretende Frau. Nach allem Ringen und Fragen weiß er – oder besser gesagt sie – sich heute in ihrem innerlich gefühlten Frau-Sein von Gott geliebt und angenommen und begreift ihr Naturell mehr und mehr als ein wunderbares Geschenk Gottes. Ich muss gestehen, wenn ich diese Zeilen schreibe, fällt es mir immer noch schwer, vom „er“ ins „sie“, vom männlichen „seine“ ins weibliche „ihre“ zu wechseln. Doch auch wenn ich es mir manchmal anders wünsche, ich weiß, dass mein Mann sich seelisch als Frau empfindet und sich das auch nicht ändern wird. Und ich liebe diese Person, mit ihren weiblichen Anteilen. Der Grund, warum sie eine Transition für sich bisher ausgeschlossen hat, ist ihre Liebe zu mir. Ginge sie diesen Weg, so würde ich zwar nicht den Menschen, aber den Mann, zu dem ich einmal „Ja“ gesagt habe, völlig verlieren.

Christen unseres Vertrauens nehmen aber auch die innere Traurigkeit der von mir geliebten Person wahr. Eine Person, die ihre farbenfrohe weibliche Seite in unserer Gemeinde nicht zeigt. Aber, kann es richtig sein, aus Rücksicht auf „die Anderen“ sein eigenes Sein versteckt zu halten?

Als aktive und tief verwurzelte Christen erfahren wir in unserer Gemeinde große Wertschätzung. Doch würden wir weiterhin Lebensraum in unserer Gemeinde finden, wenn mein Partner sein Frau-Sein im Raum unserer Gemeinde zeigen würde? Für uns wäre es ein großer Schritt auf uns zu, wenn unsere Gemeinde uns so annehmen würde, wie es einzelne Christen unseres Vertrauens schon tun.

Bisher haben wir uns von dem Gedanken leiten lassen: Wir wollen unsere Gemeinde und uns nicht überfordern. Wenn wir uns öffnen würden, dann könnte das Auswirkungen wie bei einer Bombe haben, die explodiert – und da sollte man nicht im Zentrum der Explosion stehen. Ständen wir aber. Wertschätzung könnte in Verachtung und Annahme in Ausgrenzung umschlagen. Nur, weil wir Wahrheit leben wollen.

Ja, diese Gefahr ist uns bewusst. Ablehnung und Ausgrenzung könnten uns begegnen. Müssten es aber nicht. Warum also könnte unser Traum nicht doch real gelebt werden?

Was wäre wenn …